6. November 2009

Das Kriegsende 1945 in Külsheim

Külsheim im Jahr 1945 - Die letzten Tage des Krieges und der Einzug der Amerikaner.


Der katholische Pfarrer Ludwig Hofmann notierte nach dem Krieg die Ereignisse rund um das Ende des Zweiten Weltkrieges und ihre Auswirkungen in Külsheim in seinem 'Memorabilienbuch', redigiert von Otto Spengler anlässlich des 40-jährigen Ende des Krieges.

Das neue Jahr wurde mit Sorge und Bangen angetreten. Es sollte und mußte das letzte Jahr des furchtbarsten aller Kriege werden. Die Kriegsnot stieg mit jedem Tag. Die Gefahr der Feindflieger wurde immer größer. Der Krieg rückte von Osten und von Westen immer näher und mit Bangen sah man dem Tag entgegen, da die Feinde auf dem Boden der engsten Heimat stehen werden.

Vom Schulknaben bis zum Greis wurden alle waffenfähigen in dem „Volkssturm“ eingesetzt. Die Gewissenlosigkeit der Nazi-Machthaber ging soweit, daß ein Dr. Goebbels jetzt noch erklären konnte, er sei fester denn je vom deutschen Sieg überzeugt. Dabei standen die Russen im Osten schon an der Oder und Engländer und Amerikaner im Westen am Rhein. In Deutschland wurde brutal erhängt und gemordet, wer nur irgendwie Zweifel am deutschen Sieg äußerte. Die Massenmörder der SS waren zu allen Bluttaten bereit. Es wurde nicht mehr für Deutschland und sein Wohl gekämpft, sondern nur noch für das Wohl der Nazi-Bonzen.

Feindliche Flugblätter, die immer wieder in Massen über unsere Gegend und überall in Deutschland abgeworfen wurden, sollten das deutsche Volk aufklären. In seiner Mehrheit wußte das das deutsche Volk ohnehin schon, aber gegen den Blutterror der Nazi konnte die Vernunft nicht aufkommen.

Im Frühjahr trat der Krieg in sein schlimmstes Stadium ein. Man hörte nun nicht mehr nur das Donnern der Feindbomber, sondern auch das Donnern der feindlichen Artillerie. Daß die Front uns immer näher rückte, bewies auch die immer zahlreicher werdenden Einquartierungen deutscher Truppenteile, die auf dem Rückzug waren. So wurde hier eine Werkstättenabteilung der Marine-Landetruppen einquartiert, die defekte Kraftwagen reparieren und an die Front wieder zurückbringen mußte. Im März wurde dann das Schloß von einem Heeres-Stab belegt, der von Darmstadt plötzlich hierher verlegt wurde, weil die Amerikaner überraschend schnell über den Rhein vorgestoßen waren.

Ende März, in der Karwoche kam ein ganzer Generalstab hier an, mit dem kommandierenden General Ritterkreuzträger Ehrenbrecht (siehe Anmerkung 1), welcher im Pfarrhaus einquartiert wurde, obwohl das Haus schon überbesetzt war. Im Schloß wurde außerdem einen Funkstation des Flugplatzes Wertheim untergebracht; bei der wachsenden Fliegergefahr alles für Külsheim bedrohliche Maßnahmen. Es wurde außerdem Anfang März ein Teil des Telegrafenamtes Mannheim mit General hierher verlegt, so daß der Ort mit den vielen Evakuierten aus allen Teilen Deutschlands über und über mit Leuten besetzt war.
In der Karwoche erschien dann hier auch noch der Oberbonze des Bezirks, Kreisleiter Schmitt von Wertheim, wo es ihm wegen des nahen Flugplatzes wohl zu unsicher geworden war. Von jedem anderen verlangten aber diese Obernazi, daß sie auf Tod und Leben auf ihrem Posten aushalten müßten. Es wurde hier an Volkssturm aufgeboten, was noch an Wehrfähigen übriggeblieben war und mit der „Panzerfaust“ exerziert.
Von Tauberbischofsheim sollten noch Panzerfäuste hierher geliefert werden, was aber glücklicherweise nicht mehr möglich war, da der Bankrott Deutschlands nun vollständig war. So hat der Oberbonze sich, zum Glück für Külsheim, weiter verzogen.

Am Donnerstag den 29. März rückte General Ehrenbrecht von hier ab mit seinem Stab; nur seine weiblichen Hilfskräfte, sogenannte Stabs-helferinnen, ließ er hier zurück und überließ diese weinenden Mädchen ihrem Schicksal.
Am Karfreitag Nachmittag rückten auch die Offiziere und Mannschaften der Marinewerkstätten ab. Abends um 20 Uhr verließen die letzten deutschen Soldaten Külsheim und in derselben Nacht um 2 Uhr waren bereits die amerikanischen Panzer vor Külsheim an der Bronnbacher Straße bei der Post aufgefahren. An den Häusern wurden weiße Fahnen gehißt und zwei beherzte Männer, Lorenz Göbel und Max Knapp, gingen mit weißer Flagge zu den amerikanischen Panzern. Durch das Rattern und Rasseln der Panzer, die von Steinbach auf dem Steinbacher Weg anrollten, war der ganze Ort in Bewegung gekommen und die Straßen von Menschen belebt, wie am Tag des Großen Marktes. Die Stunde der Freiheit vom Joch der Nazi-Tyrranei war gekommen. In Külsheim fiel kein einziger Schuß; ohne Schaden an Häusern oder Fluren hatte es den Krieg überstanden.

Gegen 4 Uhr am Morgen des Karsamstages setzten sich die amerikanischen Panzer und Fahrzeuge in Bewegung, fuhren die Straße in Richtung Hardheim bis zum Sägewerk May, bogen dort über die kleine Brücke nach Külsheim ein, den Gänsberg herunter und nach Uissigheim weiter; von Uissigheim dann an der Hl. Josefskapelle vorbei nach Hochhausen ins Taubertal.
Stundenlang rollten die Panzer und jedem war es klar, daß einer solchen Macht der Sieg gehören müßte. Eine deutsche geschlossene Faust gab es in diesen Tagen kaum mehr. SS- Verbände suchten bei Königshofen noch Widerstand zu leisten, erreichten jedoch nur, daß Königshofen zum größten Teil ein Trümmerhaufen wurde.

In der Morgenfrühe des Karsamstag wurde der Gottesdienst zur festgesetzten Stunde in üblicher Weise gehalten, begleitet vom Kettengerassel der ständig in Richtung Uissigheim vorbeirollenden Panzer und Geschütze. Nach Beendigung des Gottesdienstes erschienen deutsche Flugzeuge und beschossen einige Minuten lang die amerikanischen Kolonnen, ohne eine Wirkung zu erzielen. Am Abend des Karsamstag war die Auferstehungsfeier. Das dauernde Surren und Brummen der Panzer, die hinter der Kirche auf dem Uissigheimerweg vorbeifuhren und der Donner der Kanonen von Nordwesten her, ließen die ganze Osterfreude nicht aufkommen. Es war immer noch Krieg. In der Nacht zu Ostersonntag war ziemlich Ruhe.
Am Ostersonntag begann die Besetzung Külsheims durch die Amerikaner. Mittags mußten von den Einwohnern sämtliche Schuß-, Stich- und Hiebwaffen abgeliefert werden unter Androhung der Todesstrafe. Verschiedene Häuser wie Gasthaus zum Adler, die Wohnungen der Post u.a. mußten völlig geräumt werden. Die Einwohner mußten die Uniformen und Leibwäsche der Amerikaner waschen.
Die Nacht zum Ostermontag war sehr unruhig. Auf dem Galgenberg war amerikanische Artillerie aufgefahren, die von da aus das Gebiet jenseits Wertheims beschossen hat. Wertheim sollte verteidigt werden, mußte aber nach 3 Tagen dann doch kampflos übergeben werden. Dazu kamen in der Ostersonntagnacht auch wieder Angriffe über Külsheim durch deutsche Flugzeuge. Die Gottesdienste konnten aber auch an den Ostertagen in feierlicher Weise gehalten werden.

Am Ostermontag rückten neue amerikanische Truppen ein und bezogen im Schloß Quartier. Am Mittag wurde der Pfarrer mit dem Bürgermeister und der Frau des hiesigen Arztes zum Kommandanten, einem Oberst, ins Schloß bestellt. Der Kommandant empfing uns im Schloßhof in der Haltung und Miene des Siegers, erkundigte sich beim Bürgermeister, ob alle Waffen abgeliefert seien, ob sich keine Nazi-Soldaten (!) mehr hier aufhalten; ob die Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgt sei, ob Wasser und Elektrizität da sei. Von der Ärztin Frau Dr. Dietz wollte er wissen, ob ansteckende Krankheiten herrschten. Mir als Pfarrer wurde nur eröffnet, daß die Gottesdienste und der Religionsunterricht in gewohnter Weise gehalten werden können. Am Nachmittag wurde ich von drei amerikanischen Soldaten besucht, 2 Offiziere und ein Dolmetscher. Sie wollten Bescheid haben über die Nazihaltung des Bürgermeisters und über die maßgebenden Parteiführer d.h. deren Namen. Über letzten Punkt verwies ich sie an den Ortsgruppenleiter; über den Bürgermeister bemerkte ich, daß er nur Stellvertreter sei und daß er sich dem Pfarrer gegenüber immer recht und wohlwollend verhalten habe. Die Haltung der drei Amerikaner war vornehm; der Dolmetscher bekannte sich als Katholik und nahm beim Verlassen des Zimmers sogar Weihwasser.

Am Nachmittag des Ostermontags erschienen wieder deutsche Flugzeuge über Külsheim. Alsbald setzte Beschuß seitens der Amerikaner ein und auch amerikanische Jagdflugzeuge waren überraschend schnell zur Stelle. Nach einigen aufregenden Minuten war der ganze Spuk vorüber. Am Osterdienstag war es ruhig und still geworden. Hie und da hörte man noch Fliegersurren. Artillerie- schießen war kaum mehr zu hören. Die Front rückte weiter weg nach Süden und Osten. Während auf den großen Verkehrsstraßen unaufhörlich die amerikanischen Kolonnen rollten bei Tag und Nacht Wochen lang, war auf unserer einsamen Höhe Frieden geworden, Hie und da wurde man noch durch das Dröhnen eines Bombeneinschlags aufgeschreckt, bis die deutsche Front dann zusammenbrach und am 8. Mai Deutschland durch den Generalstab bedingungslos kapitulieren mußte. Es begann die Razzia gegen gefährlich Nazis.

Versprengte deutsche Soldaten, heimkehrende Evakuierte und fremdländische Arbeíter, die in Massen zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt worden waren, zogen auch durch Külsheim und bettelten Brot und ersuchten um Nachtquartier. Ein äußeres Zeichen der Niederlage Deutschlands waren auch die zerstörten und ausgeplünderten Personen- und Lastautomobile, die zu Dutzenden im Haidbergwald herumlagen.

Da Nordbaden zur amerikanischen Besatzungszone gehört, blieb die amerikanische Besatzung hier. Es wurde dafür das Schloß beschlagnahmt, Gasthaus zum Adler; zum Mohren; zur Rose und vorübergehend auch zum Stern, zur Linde, die Wohnungen der Post, das Haus von Tierarzt Pabst, die neuen Häuser beim Judenfriedhof. Ein kirchliches Gebäude ist keine Stunde mit Einquartierung belegt worden. Am Samstag, den 21. Juli, fuhr morgens um 5 Uhr ein amerikanisches Auto durch die Straßen und ließ durch den Gemeindepolizisten bekanntmachen, daß 48 Stunden lang niemand das Haus verlassen dürfe, daß nur am Sonntag Nachmittag ein Gottesdienst sein werde und daß alle Einwohner eines Hauses es zu verlassen habe, wenn die Soldaten kommen. Es fand eine Hausdurchsuchung statt, nach Waffen und es wurden die Ausweise der bereits entlassenen deutschen Soldaten geprüft. Manche dieser Soldaten wurden wieder mitgenommen. Das Pfarrhaus wurde nicht kontrolliert. Am Abend des Samstag wurde zur großen Freude aller, die Sperre wieder aufgehoben und am Sonntag konnten die Gottesdienste in üblicher Weise gehalten werden.

 Dieser Bericht wurde auch in den Fränkische Nachrichten am 2. April 2005 veröffentlicht.

Anmerkung 1
Von der Wiki Seite von Külsheim vom 17. Juli 2014:
Hofmanns Bericht zufolge sei der befehlshabende Offizier ein gewisser „General Ritterkreuzträger Ehrenbrecht“ gewesen. Eine solche Person existiert aber laut einschlägigen Datenbanken nicht. Diese nennen hingegen zwei Personen, die in Frage kommen könnten: Generalmajor Heinz-Joachim Werner-Ehrenfeucht, der allerdings nicht Träger des Ritterkreuzes gewesen sein soll, und General der Artillerie Erwin Engelbrecht, Ritterkreuzträger und ab September 1944 bis Kriegsende Kommandierender General des „Höheren Kommandos Saarpfalz“. Beide Personen kamen in amerikanische Gefangenschaft. Von welcher der beiden Personen Hofman berichtet, ist letztlich unklar

2 Kommentare:

  1. Nochmals es gibt und gab keinen General und Ritterkreuzträger Ehrenbrecht ändern Sie Ihren Bericht dementsprechend. Hinweise und Dokumente bei der Gemeinde und beim Landesamt Baden-Württemberg!

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  2. Hallo Rainer. Danke für die Anmerkung. Am 17 Juli 2014 wurde (von dir?) eine Anmerkung gemacht in der Külsheimer Wiki Page:

    "1 Hofmanns Bericht zufolge sei der befehlshabende Offizier ein gewisser „General Ritterkreuzträger Ehrenbrecht“ gewesen. Eine solche Person existiert aber laut einschlägigen Datenbanken nicht. Diese nennen hingegen zwei Personen, die in Frage kommen könnten: Generalmajor Heinz-Joachim Werner-Ehrenfeucht, der allerdings nicht Träger des Ritterkreuzes gewesen sein soll, und General der Artillerie Erwin Engelbrecht, Ritterkreuzträger und ab September 1944 bis Kriegsende Kommandierender General des „Höheren Kommandos Saarpfalz“. Beide Personen kamen in amerikanische Gefangenschaft. Von welcher der beiden Personen Hofman berichtet, ist letztlich unklar."

    Ich werde diese Anmerkung in den obigen Artikel übernehmen.

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